Die Shoah überschreitet jede Grenze des Vorstellbaren.
Sie entzieht sich allen Darstellungsversuchen.

Kaddisch

“Nie weinte ich um den Verlust meiner Eltern
Nie konnte ich Kaddisch sagen
Nie begriff ich ihren unvorstellbaren Tod
Nie fasste ich die Unmenschlichkeit ihrer Mörder
Meine Eltern sind im Himmel begraben
Sie teilen das Grab mit sechs Millionen Seelen
Gute Menschen, einfache Menschen haben meinen Tod verhindert
Großzügige Menschen nahmen mich als ihr Kind an
Ich habe eine Familie gegründet, ich liebe sie, sie liebt mich
Ich werde sterben. Dann, umringt von Engeln, werde ich Kaddisch sagen

Herbert Odenheimer. Hubert Odenheimer. Hubert Odet
Herbert Loeb. Ehud Loeb. אהוד לב

Geboren. Deportiert. Im Lager. Verwaist. Versteckt. Gerettet. Adoptiert.
Verheiratet. Vater. Grossvater. Wird sterben.
Seine Söhne werden für ihn Kaddisch sagen.

Jerusalem, 19. Dezember 1999”

Kaddisch von Ehud Loeb, geschrieben am 19. Dezember 1999

Ehud Loeb, 1934 in Bühl (Baden) als Herbert Odenheimer geboren, wurde 1940 gemeinsam mit seinen Eltern nach Gurs deportiert. Mit Hilfe der OSE konnte er im Februar 1941 das Lager verlassen und überlebte versteckt in mehreren Kinderheimen und bei französischen Familien. Seine Eltern wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet. 1946 wurde Ehud Loeb von Verwandten in der Schweiz adoptiert. Er wanderte 1958 nach Israel aus, wurde Kunsthistoriker und gründete eine Familie. Er starb 2018 in Jerusalem.