"Wir werden abgeholt"
Die Verhaftungen im Oktober 1940 begannen ohne Vorwarnung während des jüdischen Laubhüttenfestes (Sukkot).
Die Familien hatten kaum Zeit, die wenigen Dinge zusammenzupacken, die sie mitnehmen durften. Der Abtransport vor aller Augen bedeutete für die betroffenen Jüdinnen und Juden – nach jahrelanger Ausgrenzung – eine weitere Demütigung.
Kippenheim, 22. Oktober 1940: Kurt Salomon Maier war in der jüdischen Schule in Freiburg, als sein Vater ihn anrief und sagte, er müsse schnell nach Hause kommen. Als er mit seiner Familie zum Mannschaftswagen der Polizei ging, trug er daher noch seine Schultasche. Jahre später erinnerte er sich beim Anblick dieses Fotos vor allem an seinen vor ihm gehenden Großvater, der nur mühsam laufen und kein Gepäck tragen konnte. In seiner Autobiografie notierte er unter dem Foto „Wir werden abgeholt“.
Die 1934 in New York gegründete deutsch-jüdische Exilzeitung Aufbau war die wichtigste Informationsquelle für jüdische Geflüchtete in den USA, die sich große Sorgen um ihre in Europa verbliebenen Familienmitglieder machten. Am 1. November 1940 informierte ein kurzer Artikel über die Deportation aus Süddeutschland in den unbesetzten Teil Frankreichs: Diese Aktion sei als „Erpressung“ zu werten, um die jüdische Bevölkerung Deutschlands zu einer schnelleren Auswanderung zu bewegen, urteilte die Zeitung.
Otto Hirsch wurde als Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der Zwangsorganisation Reichsvereinigung der Juden in Deutschland regelmäßig zum Rapport bei der Berliner Gestapo einbestellt. Dort protestierte er gegen die Deportation und verlangte Auskunft über den Aufenthaltsort der Menschen, fragte, wie er sie unterstützen könne und ob weitere Deportationen geplant seien. Otto Hirsch wurde im Juni 1941 im KZ Mauthausen ermordet.