Juristische und poltische Aufarbeitung
Die Alliierten wollten nach Kriegsende die Täter*innen vor Gericht stellen.
Die französische Regierung brachte „Verbrechen gegen die Menschheit“ als Anklagepunkt in den in Nürnberg geführten Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher ein. Nach wenigen Jahren der Strafverfolgung konnten sich die Verantwortlichen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich aber wieder relativ problemlos in die Gesellschaft integrieren.
Der Eichmann-Prozess in Jerusalem (1961), der erste Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main (1963-65) und der Barbie-Prozess in Lyon (1987) stellten Zäsuren in der Wahrnehmung der Verbrechen dar und führten langsam zu einem Umdenken. Die Strafverfolgung ist bis heute nicht abgeschlossen.

Noch im März 1945, kurz vor der Befreiung, erklärte der Bürgermeister von Kandel (Pfalz), er sei entschlossen, den letzten in der Gemeinde lebenden Juden zu ermorden. Darin konnte der zuständige Oberstaatsanwalt 1947 nicht einmal den Straftatbestand der Bedrohung erkennen.

Obwohl der Leiter der Gestapo von Lyon, Klaus Barbie, 1947 in Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war, arbeitete er in den ersten Nachkriegsjahren für mehrere westliche Geheimdienste. 1951 wanderte er als Klaus Altmann mit seiner Familie nach Bolivien aus. Die Ermittlungen der deutschen Botschaft im Jahr 1966 ergaben jedoch nur, dass Altmann „Mitglied der SS im höheren Offi ziersrang [...] in Frankreich“ gewesen sei. Erst 1983 lieferte Bolivien Barbie nach Frankreich aus. Im folgenden Prozess war Léa Feldblum, die einzige Überlebende des Kinderheims Izieu, eine wichtige Zeugin der Anklage. Barbie wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1991 im Gefängnis.

1948 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Leiter des Sicherheitsdienstes der SS in Villingen wegen dessen Beteiligung an der Deportation nach Gurs. Die Staatsanwaltschaft betrieb das Verfahren gegen Hans Helbing ohne großen Nachdruck und stellte es ein, da die wenigen vernommenen Polizisten keine konkreten Angaben machen konnten oder wollten. 1949 wurde Helbing wegen seiner Tätigkeit für den Sicherheitsdienst der SS in einem Entnazifi zierungsverfahren zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, jedoch bereits nach einem Jahr begnadigt.
“Als ich in Frankreich von den Transporten der Juden aus Baden und der Pfalz nach Frankreich hörte, hatte man zunächst das Gefühl, dass diese Juden ein milderes Schicksal haben könnten als in Deutschland. Dann kamen die ersten Berichte über die Misshandlungen und Leiden dieser Juden in Lagern in den Pyrenäen. Als wir dann von Transporten in den Osten hörten, hieß es zunächst, dass es ihnen dort vielleicht besser gehen würde als in den Pyrenäen, denn wenn sie als Arbeitskräfte eingesetzt würden, müsste man sie zumindest etwas anständig behandeln.”
Ernst von Weizsäcker wurde in Nürnberg angeklagt. Der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt hatte sich an den Vorarbeiten seines Ministeriums zur Wannsee-Konferenz beteiligt. Bei seiner Aussage vor Gericht 1948 versuchte er sich seiner Verantwortung zu entziehen. Die Zustände in Gurs waren Teil seiner Verteidigungsstrategie. Der in Stuttgart geborene Staatssekretär wurde ursprünglich zu sieben Jahren Haft verurteilt und 1950 amnestiert.

Als Generalsekretär der Präfektur Gironde war Maurice Papon 1942 zuständig und mitverantwortlich für Verhaftungen und Deportationen. Nach der Befreiung war er Polizeipräfekt von Paris und später Haushaltsminister. Erst nach dem Ende seiner Karriere wurde Anklage erhoben. Der anschließende Prozess endete 1998 mit einem Schuldspruch. Krankheitsbedingt verbrachte Papon nur drei Jahre hinter Gittern. Er starb 2007.

Am 16. Juli 1995 brach Präsident Jacques Chirac mit der Position seiner Vorgänger. Während der Gedenkveranstaltung zur Razzia des Vél’ d’hiv’ erkannte er die Mitverantwortung Frankreichs für die Deportation der Jüdinnen und Juden an: „Frankreich, Heimat der Aufklärung und der Menschenrechte, tat an diesem Tag, was nicht wiedergutzumachen war. Frankreich hat sein Wort gebrochen und seine Schützlinge ihren Henkern ausgeliefert.“

Auf dem Hauptfriedhof in Neustadt an der Weinstraße befindet sich das Grab des ehemaligen Gauleiters der Saarpfalz, Josef Bürckel. In jüngerer Vergangenheit entflammten immer wieder Diskussionen über den Umgang mit diesem Denkmal. 2017 riet der Landesbeirat für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz zu einer Kontextualisierung des Grabmales. Bis heute ohne Folgen. Die Frage bleibt: Wie gehen wir heute mit Gräbern von Täter*innen um?