Kinder in den Lagern

Für Kinder war die Lagererfahrung dramatisch: Viele waren von ihren Familien getrennt worden, litten unter der Unsicher heit ihrer Situation und wurden nicht ausreichend versorgt.

Zwar setzten sich verschiedene Organisationen wie die amerikanischen Quäker, das Schweizerische Rote Kreuz oder die jüdische Hilfsorganisation Œuvre de secours aux enfants (OSE) besonders für sie ein: Zusammen mit lokalen Akteuren entstanden Hilfsnetzwerke, die die Unterbringung in Kinderheimen außerhalb des Lagers organisierten. Einige Kinder wurden versteckt oder erhielten falsche Identitäten und Papiere. Dennoch wurde ein Großteil der Kinder, auch nach gezielten Razzien, nach Auschwitz-Birkenau und Sobibor deportiert. Fast alle wurden direkt nach ihrer Ankunft ermordet.

© Maison d’Izieu / Coll. Aus dem Nachlass Sabine Zlatins
Foto vor dem Brunnen des Maison d’Izieu, Sommer 1943

Ursprünglich in Russland gegründet, hatte die Œuvre de secours aux enfants (OSE) in den 1920er Jahren ihren Sitz in Berlin und musste 1933 nach Paris ziehen. Hier setzte sich die Hilfsorganisation u. a. für minderjährige jüdische Flüchtlinge aus Deutschland ein, später auch in den Lagern. Die OSE richtete 1943 ein Kinderheim in Izieu ein, in dem mindestens fünf Kinder aus Baden und der Pfalz vorläufig vor den Deportationen geschützt wurden. Im April 1944 wurde das Heim von der Lyoner Gestapo gestürmt und 44 Kinder sowie sieben Betreuer*innen verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau verschleppt.

Viele Personen auf dem Foto konnten identifiziert werden. Auf der linken Seite stehend: Jacques Benguigui (verkleidet), rechts: Max-Marcel Balsam (hält einen Hut auf einem Stock), im Hintergrund links: Arnold Hirsch, vor ihm Théo Reis. In der Mitte die Erwachsenen, von links nach rechts: Philippe Dehan, Marcelle Ajzenberg, Berthe Mehring, Miron Zlatin (Leiter und Verwalter des Heims). Im Vordergrund von links nach rechts: Paula Mermelstein, Georgy Halpern, Sigmund Springer (Kopf gedreht), Esther Benassayag, Nina Aronowicz, Claude Levan-Reifman (von dem hinter dem unbekannten, hockenden Kind nur die Augen zu sehen sind).

Hilfsorganisationen stellten nicht nur zusätzliche Verpflegung und Kleidung für die Kinder bereit. Sie versuchten auch, für deren geistige Entwicklung zu sorgen und hielten Unterricht und Gottesdienste ab.<br />
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Bericht über ein Chanukka-Fest des Mädchenclubs MENORAH im Lager von Gurs
© Mémorial de la Shoah, OSE_II_59
Hilfsorganisationen stellten nicht nur zusätzliche Verpflegung und Kleidung für die Kinder bereit. Sie versuchten auch, für deren geistige Entwicklung zu sorgen und hielten Unterricht und Gottesdienste ab.

Bericht über ein Chanukka-Fest des Mädchenclubs MENORAH im Lager von Gurs
Bericht über ein Chanukka-Fest des Mädchenclubs MENORAH im Lager von Gurs
© Mémorial de la Shoah, OSE_II_59
Bericht über ein Chanukka-Fest des Mädchenclubs MENORAH im Lager von Gurs
© Mémorial de la Shoah, XXVb_58
Funkspruch vom 10.7.1942 von Dannecker an Eichmann

Der Umgang mit den Kindern der nach Osteuropa Deportierten war auf deutscher Seite zunächst ungeklärt, wie dieses Telegramm vom 10. Juli 1942 zeigt. Während die Gestapo die Deportation von Kindern zu einem späteren Zeitpunkt plante, schlug der französische Chef de gvernouement Pierre Laval den Deutschen vor, sie sofort abzuschieben. Die überwiegende Mehrheit der Kinder war jedoch in Frankreich geboren worden und hatte damit ein Recht auf die französische Staatsbürgerschaft erworben. Während der großen Vél’ d’hiv’-Razzia im Juli 1942 wurden insgesamt 4.115 Kinder verhaftet und im Laufe des Sommers nach Auschwitz-Birkenau deportiert.