Gurs

Gurs, eines der größten Lager in Frankreich, hatte im Laufe der Zeit unterschiedliche Funktionen.

Nach kontroversen Diskussionen innerhalb der regionalen Öffentlichkeit war es 1939 zunächst als Auffanglager für Flüchtlinge aus Spanien errichtet worden. Die einfachen Baracken wurden von Ingenieuren und Bauarbeitern aus der Region innerhalb von sechs Wochen auf dem in der Grenzregion gelegenen Gelände aufgebaut. Im April 1939 befanden sich dort bereits mehr als 15.000 Männer, Frauen und Kinder. Ab Mai 1940 wurden auch Geflüchtete aus Deutschland in Gurs festgesetzt, die zu „feindlichen Ausländern“ erklärt worden waren. Zeitweilig befanden sich knapp 20.000 Menschen in dem überfüllten Lager. Es unterstand zunächst dem französischen Kriegsministerium, ab Oktober 1940 dem Innenministerium des Vichy-Regimes.

© Mémorial de la Shoah, CC_276a_3
Foto eines unbekannten Fotografen/einer unbekannten Fotografin, ca. 1942

Diese Fotografie des Lagers Gurs stammt vermutlich aus dem Jahr 1942. Voll ausgebaut maß es 79,6 Hektar und war von Stacheldraht umgeben. Auf dem Gelände wurden nochmals „kleine Inseln“ (îlots) abgezäunt, die aus jeweils 25 bis 30 Baracken bestanden. Männer und Frauen waren getrennt untergebracht.
 

© Staatsarchiv Stuttgart, EA 99/001 Bü 304, Nr. 14 Bild 1
Foto eines unbekannten Fotografen/einer unbekannten Fotografin, ca. 1942

Die Baracken standen anfangs auf gestampftem Lehmboden, der mit Stroh ausgestreut war. Sie wurden mit jeweils 60 Menschen viel zu eng belegt. Das ganze Gelände war unbefestigt, bei Regen weichte der Boden völlig auf. Zu den Toiletten mussten die Internierten durch den Schlamm waten. Mit einer Feldhacke versucht hier eine Frau, einen Abwassergraben zu vertiefen.

© Wiener Library, London 056-EA-1111. Letters. P.III.h. No.627
Abschrift eines Briefes der Mutter von Herbert Lehmann, 28.10.1940

In einem Brief berichtet die Mutter von Herbert Lehmann ihrem Sohn kurz nach der Ankunft in Gurs von den Lebensbedingungen im Lager. Da Männer und Frauen getrennt untergebracht seien, sehe sie den Vater nur noch „alle paar Tage“. Sie besäßen nur noch 100 Reichsmark und ihre Kleider – keine Papiere. Um die Größe der Essensrationen in Gurs zu beschreiben und gleichzeitig die Zensur zu umgehen, spielt die Mutter auf Herbert Lehmanns „Skilauf (Davos – Dachau) vor zwei Jahren“ an. Herbert Lehmann war 1938 von den Nationalsozialisten ins KZ Dachau verschleppt worden. Nach seiner Entlassung emigrierte er.
 

Nach der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 lockerte die französische Lagerkommandantur die Wach- und Haftregeln. Zahlreiche Lagerinsass*innen konnten aus Gurs fliehen oder ihre Freilassung beantragen. Die Berliner Künstlerin Charlotte Salomon war 1939 nach Frankreich geflohen und wurde kurzzeitig in Gurs interniert. Nach ihrer Entlassung konnte sie in Nizza ihren Bilderzyklus Leben? Oder Theater? abschließen. 1943 wurde sie erneut verhaftet, über Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.