Leo Herborn

Leo Herborn (*1892) lebte mit seiner Frau Hannchen (*1890) und seinen Söhnen Heinrich (*1922) und Manfred (*1923) in der Scheffelstraße 19 im Stadtteil Wiehre. Im Hinterhof befand sich dort zudem das Lager der Textilgroßhandlung, mit der Leo Herborn seinen Lebensunterhalt verdiente. Infolge nationalsozialistischer Repressionen musste er sein Geschäft 1938 jedoch schließen.

© Stadtarchiv Freiburg M 70 S 202-27_179
Foto der Scheffelstraße 19 aus der Sammlung „Stadtmodell“ im Stadtarchiv

In diesem Haus in der Scheffelstraße 19 lebte Familie Herborn bis Oktober 1940.

© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg G 540/5 9942 Nr. 7
Antrag Leo Herborns auf Löschung seiner Firma aus dem Handelsregister vom 11. Januar 1939

Nachdem die Nationalsozialisten die Ausübung seiner kaufmännischen Tätigkeit zunehmend unmöglich gemacht hatten, sah sich Leo Herborn gezwungen, seine Textilgroßhandlung zum Jahresende 1938 zu schließen. So beantragte er am 11. Januar 1939 schriftlich die endgültige Löschung seiner Firma aus dem Handelsregister.

Am 22./23 Oktober 1940 wurde Leo Herborn gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen verhaftet und zunächst ins Lager Gurs deportiert. Von dort aus bemühte sich die Familie vergeblich um eine Ausreise in die USA. Leo, Heinrich und Manfred wurden im Frühjahr 1941 laut eines Augenzeugenberichts weiter ins Lager Les Milles in der Nähe von Marseille gebracht, wohin im August 1942 wahrscheinlich auch Hannchen Herborn folgte.

© Archiv STOLPERSTEINE in FREIBURG, Marlis Meckel
Ausschnitt des Briefes von Siegfrid Nelson an Fritz Geismar mit Bitte von Leo Herborn

In einem Brief eines anderen Internierten aus dem Lager Gurs fügte Leo Herborn eine Bitte an den ihm bekannten Empfänger des Briefes, Fritz Geismar, an. Er schreibt: „Lb. Fritz! Schaue bitte einmal in m. Hause nach, ob die Wohnung schon (?) besetzt ist. – Herzl. Grüße, Leo Herborn“.

Das Haus in der Scheffelstraße 19 wurde bereits 1941 durch die Polizeidirektion Freiburg an Richard Hemler verkauft, einen früheren Nachbarn der Herborns.

Ida und Leopold Dreifuss aus Pforzheim waren mit der Familie Herborn persönlich bekannt und wurden im Oktober 1940 selbst ins Lager Gurs deportiert. Nach ihrer Emigration nach New York schilderten sie am 26. Oktober 1947 in einer eidesstattlichen Erklärung das weitere Schicksal der Familie Herborn.

Ida Dreifuss berichtete:

“Ich habe die Eheleute Herborn […] sowie deren beiden Söhne Manfred u. Heinz [Heinrich] persönlich gekannt, da sie früher öfter besuchsweise in Pforzheim waren. Einige Tage nach unserer Ankunft in Gurs habe ich die Eheleute Herborn im Camp gesehen und auch in der Folgezeit öfter mit ihnen gesprochen.
Später habe ich die Frau Herborn im Hotel Levante in Marseille wiedergetroffen, wo sie untergebracht wurde, nachdem sie von dem [amerikanischen] Konsul die Vorladung wegen der Erteilung des amerikanischen Visums erhalten hatte. Herr Herborn und die beiden Söhne waren um jene Zeit im Auswanderungslager Les Milles. […] Mitte August 1942 wurde Frau Herborn mit einer größeren Anzahl Frauen, die im Hotel Levante untergebracht waren, von der Polizei abgeholt und nach Les Milles überführt. […]”

Eidesstattliche Erklärung von Ida und Leopold Dreifuss vom 26. Okt. 1947, Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg G 540/5 514 Nr. 21

Ihr Mann, Leopold Dreifuss, ergänzte:

“Ich kam im Mai 1941 nach Les Milles. Einige Wochen später kamen auch Leo Herborn u. seine zwei Söhne Manfred u. Heinz [Heinrich], die gleich mir auf die Erteilung des Visums durch den amerikanischen Konsul warteten.
Mitte August 1942 kamen eine größere Anzahl der Frauen, die bisher in Marseille untergebracht waren, in das Lager von Les Milles. Einige Tage später musste die ganze Belegschaft des Lagers von Les Milles mit Gepäck auf dem Hofe antreten. Es waren etwa 1500 Personen. Etwa 2/3 wurden zum Abtransport eingeteilt. Unter diesen […] befanden sich die Herborn Eheleute u. ihre beiden Söhne. Ich habe die vier Herborns mit ihren Leidensgefährten abmarschieren gesehen und habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie in den Güterwagen verladen wurden, um nach dem Osten abtransportiert zu werden. Seitdem sind die vier Herborns verschollen.”

Eidesstattliche Erklärung von Ida und Leopold Dreifuss vom 26. Okt. 1947, Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg G 540/5 514 Nr. 21
© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg G 540/5, 484 Nr. 3
Schreiben von Nathan Rosenberger an Leo Herborns Schwester, Franziska Knoth, vom 8. Februar 1946

Auch Nathan Rosenberger, der Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde in Freiburg, erwähnte in einem Schreiben an Leo Herborns Schwester vom 8. Februar 1946 die Absicht der Herborns, möglicherweise noch zu emigrieren. Da er jedoch nie mehr von Leo Herborn gehört habe, schloss auch Nathan Rosenberger, dass Familie Herborn vermutlich Opfer der Ermordung durch die Nationalsozialisten geworden war.

Von Les Milles aus wurde Familie Herborn vermutlich noch im August 1942 über das Lager Drancy in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Leo Herborn starb im Alter von 50 Jahren, seine Frau Hannchen mit 51 Jahren. Seine Söhne, Manfred und Heinrich Herborn, wurden nur 19 Jahre alt.

© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg G 540/5 514 Nr. 51
Beschluss des Amtsgerichts Freiburg im Verfahren zur Feststellung des Todes und des Todeszeitpunktes Hannchen, Heinz und Manfred Herborns vom 24. März 1948

Im Zuge des Restitutionsverfahrens für die Familie Herborn wurden Leo, Hannchen, Heinrich und Manfred Herborn im Jahre 1947 bzw. 1948 vom Amtsgericht Freiburg schließlich für tot erklärt. Der Tag ihres Todes konnte nie abschließend ermittelt werden. Als Todeszeitpunkt wurde der 31. Dezember 1942, 24 Uhr festgelegt.

© Archiv STOLPERSTEINE in FREIBURG, Marlis Meckel
In der Scheffelstraße 19 erinnern heute vier „STOLPERSTEINE“ an die Geschichte der Familie Herborn.