Gedenken an die Opfer der Deportation und jüdisches Leben in Freiburg heute
Nach 1945 lag über dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung in Freiburg wie in vielen deutschen Städten zunächst ein Mantel der Scham, des Schweigens und Verdrängens. Erst in den vergangenen Jahrzehnten wurden, zum Teil auf öffentliche, häufig jedoch auf private Initiative hin, Orte des Gedenkens für die Opfer der Shoah geschaffen. Wer heute mit offenen Augen durch die Stadt geht, kann einige Hinweise auf die Schicksale der deportierten Freiburger Bürger*innen finden.
Ein gelbes Straßenschild mit der Aufschrift „Gurs 1027 km“ erinnert die Passant*innen im Freiburger Stadtzentrum seit 22 Jahren an die Oktoberdeportation des Jahres 1940.
Es befindet sich am Platz der Alten Synagoge, an dem 2017 ein Gedenkbrunnen in Form des Grundrisses der Alten Synagoge eingeweiht wurde. Der Brunnen soll an die Zerstörung der Synagoge in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 erinnern. Die Gestaltung des Brunnens ist in der Stadtgesellschaft nach wie vor umstritten. Damit verbundenen Diskussionen um eine adäquate Form des öffentlichen Erinnerns sind nicht abgeschlossen.
Zum Jahrestag der Deportation am 22. Oktober sowie am 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht, finden auf dem Platz der Alten Synagoge alljährlich Gedenkveranstaltungen statt, zu denen in Erinnerung an die Opfer Rosen im Brunnen und beim Modell der Alten Synagoge niedergelegt werden.
Auf der Wiwilíbrücke beim Hauptbahnhof, von wo aus im Oktober 1940 rund 379 Freiburg*innen ins Lager Gurs deportiert wurden, befindet sich seit 2003 ein bronzenes Denkmal der Bildhauerin Birgit Stauch. Wie ein zurückgelassenes Gepäckstück erinnert der „vergessene Mantel” neben einer Gedenktafel an die Menschen, die in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1940 nur wenige Meter entfernt die Züge in Richtung Gurs besteigen mussten.
Auch an zwei weiteren zentralen Schauplätzen der Oktoberdeportation finden sich heute Gedenkorte. 2006 stiftete Andreas Meckel eine Gedenktafel für den Annaplatz, wo sich am 22. Oktober Bewohner*innen des Stadtteils Unterwiehre einfinden mussten, bevor sie deportiert wurden.
Eine weitere Tafel erinnert an der Außenfassade der Hebelschule daran, dass das Schulgebäude an jenem 22. Oktober 1940 für die Sammlung und anschließende Deportation der Menschen aus Freiburg und der Umgebung zweckentfremdet wurde.
Nach Kriegsende kehrten zunächst nur einige wenige Überlebende der Shoah nach Freiburg zurück. Am 24. Dezember 1945 gründete sich unter Vorsitz von Nathan Rosenberger, der selbst ein Überlebender des KZs Theresienstadt war, eine neue jüdische Gemeinde.
Aus dieser ging später die heutige Israelitische Gemeinde Freiburg KdöR hervor. Übergangsweise war die Gemeinde zunächst in der Hansjakobstraße 8 sowie in der Holbeinstraße 25 untergebracht. Am 5. November 1987 konnten, befördert durch den Einsatz des damaligen Oberbürgermeisters Rolf Böhme, die Neue Synagoge und das jüdische Gemeindezentrum in der Nußmannstraße 14 eingeweiht werden, die noch heute der Sitz der Israelitischen Gemeinde Freiburg sind.
Auch die liberale jüdische Gemeinde, die Egalitäre Jüdische Chawurah Gescher, weihte nach 23jährigem Bestehen am 28. September 2021 feierlich ihre Synagoge in der Habsburger Straße ein. Dort finden seitdem neben Gottesdiensten auch zahlreiche Veranstaltungen und Beratungsangebote statt.
Mit der orthodoxen Chabad Lubawitsch Bewegung gibt es außerdem noch eine dritte jüdische Organisation in Freiburg.
Das Gebäude der Neuen Synagoge beherbergt außerdem das Gemeindezentrum der Israelitischen Gemeinde Freiburg. Im Sommer 2021 konnte auch die Egalitäre Jüdische Gemeinde Chawurah Gescher feierlich ihre Synagoge in Freiburg einweihen.
Jüdisches Leben findet sich in Freiburg aber auch jenseits der etablierten Gemeindestrukturen, wie an den Hochschulen, in der Kunst, in zivilgesellschaftlichen Initiativen oder Vereinen. Die Aufgabe der Stadtgesellschaft ist es, die Vielfalt jüdischen Lebens weiter zu fördern und aktuellen antisemitischen Bedrohungen konsequent und entschlossen entgegenzutreten.